Solinger Morgenpost vom 02.12.2014
Die Welt der Liedkunst ad absurdum geführt
Mit “Stenzel & Kivits” präsentierte der Merscheider Männergesangverein in der Cobra Comedy der Extraklasse.
VON CYRILL STOLETZKY
In hohen Tönen singen – das können sie, vom heiteren Fach verstehen sie noch viel mehr, als man bislang zu ahnen wagte. Mit einem tollen Abend in der voll besetzten Cobra setzte der Merscheider Männergesangsverein mit dem holländischen Duo „Stenze! & Kivits” humoristische Akzente.
Zu Beginn präsentierten sich die Gastgeber. Vorprogramm konnte man es nicht mehr nennen, was der Chor unter Leitung von Ralf Leßenich als „Phantastische Abenteuer des Don Quichote” zum Besten gab. Toll gesungen hat der Chor, dynamisch und nuanciert, doch die Einlagen der kostümierten Sangesbrüder waren der Clou. Da glänzte Harald Günther als edler Ritter, Rainer Hellmann als Sancho Pansa, Wilhelm Wassermann als starker Erzähler. Als dann Paul Heinrichs als weltweit erste Dulcinea mit Schnäuzer die Bühne betrat, tobte der Saal.
Der Mix aus Lied und Blödelei war perfekt, und man fragte sich, wie der Spaß noch zu toppen war.
Doch dann schieben zwei urige Typen einen Flügel herein. Schon die Positionierung ist das reinste Abenteuer. Da fällt der Pianist vom Hocker, da verschiebt sich der Flügel wie von Geisterhand, es folgt ein wüstes Rücken, Zerren, Schieben und Laufen. Als sie es denn endlich geschafft haben, beugt sich Tenor Stenzel mit ernster Miene vor und Pianist Kivits sitzt halbwegs sicher auf dem Drehstuhl.
Was folgt, sind zwei Stunden bizarres Musiktheater, in denen die beiden Niederländer unter dem Titel „The Impossible Concert” die Welt der Liedkunst ad absurd um führen. Stenzels Miene und Körpersprache könnten komischer kaum sein, und als er dann die erste Arie dahinschmachtet und mit weit offenem Mund im Ton stecken bleibt, brüllt der Saal. Doch es kommt noch besser. Ideen werden aufgefahren, die brillanter kaum sein könnten. Aus lumpigen Requisiten wie Jackett und Kleiderbügel entsteht ein postmoderner Caruso, der mit seinem Röhrenradiokopf grinst und einer Zuschauerin in der ersten Reihe die Gummihand reicht. Beim Donauwalzer kommt ein selbstgebastelter Kontrabass ins Spiel, und endlich erfährt man das Geheimnis von Schuberts “Unvollendeter”: “Er hat das Ende rückwärts komponiert”, erläutert der Tenor, beginnt seine nächste Arie, nicht ohne sein Publikum darum zu bitten, “nicht mehr zu husten.” Sein Vibrato ist der Brüller, der Pianist beherrscht vom Türkischen Marsch bis zum Swing so ziemlich alles, und der Übergang vom Original-Zitat bis zur satirischen Verzerrung ist virtuos. Wie sich die beiden die Einfälle zuwerfen, sich in die Pfanne hauen, nahtlos vom Slapstick in schrägster Satire landen, ist sensationell.
Das war Musiksatire aus den höchsten Gefilden der ohnehin seltenen Zunft. Nach tobendem Applaus des Publikums folgten etliche Zugaben. Besser, wüster, schräger ging’s nicht.
Solinger Morgenpost vom 28.08.2014
MGV Burg freute sich über Verstärkung aus Solingen
VON WOLFGANG GÜNTHER
Mit der ehemaligen Turnhalle der Burger Schule steht den Vereinen im Grafenstädtchen eine Halle zur Verfügung, die für viele Zwecke geeignet ist. Jetzt ging dort das 1. Burger Chorfest über die Bühne, es wurde vom Gastgeber, dem Burger Männergesangverein eröffnet. „Leider haben wir ein kleines Handicap, gleich sechs Sänger sind erkrankt” berichtete der Vorsitzende Bernd Vogelsang. Zum Glück haben die Burger Sänger seit drei Jahren mit Chordirektor Ralf Leßenich einen Chef, der gleich drei weitere Männerchöre der Klingenstadt in musikalischer Hinsicht leitet. „Daher singen wir heute mit einigen , Leihstimmen’ aus anderen Chören,” er-klärte der Vorsitzende. So stand doch noch ein veritabler Männer-chor auf der Bühne, die bekannte Solinger Pianistin Ursula Drießen war auch in diesem Konzert für Chor und Solisten eine zuverlässige
Begleiterin am Klavier. Ralf Leßenich ist nicht nur ein erfahrener Chorleiter, er sorgt auch für ein Repertoire abseits des Gewohnten. Gleich nach einem einfühlsam gesungenen Volkslied brachten die Burger mit der Humoreske „Bube, Dame, König, As” von Robert Pappert eine Hommage an das Skat-spiel. Die unerwartete Erkrankung der Sänger hat Bernd Vogelsang zum Nachdenken gebracht. „Ich möchte alle Solinger Chöre einmal zu einem Gespräch am runden Tisch einladen, denn das Problem der plötzlich fehlenden Stimmen betrifft jeden Gesangverein”. Sicher wäre es ideal, wenn sich die Chöre der Klingenstadt noch besser gegen-seitig unterstützen, das würde auch das Dauerthema, der mangelnde Nachwuchs in den Vereinen, etwas mildern. Beim Konzert war von dieser Diskussion nichts zu spüren, gut abgestimmt erklang die inoffizielle australische Nationalhymne „Walzing Mathilda”, und Reinhard Meys „Über den Wolken” wurde mit einem feinen Piano gesungen. Solist des Abends war der Solinger Tenor Uwe Olbertz. „Ich wurde auch in Burg geboren, bin dann in die Welt hinaus und gleich in Solingen hängengeblieben,” scherzte er zu Beginn seiner musikalischen „Italien-reise” mit den schönsten Melodien von Gerhard Winkler. Lieder wie „Die Capri-Fischer”, „Frauen und Wein” oder „Mia bella Napoli” waren Hits in den 1950er Jahren, sie sind bis heute unvergessen. Eine kleine Überraschung hatte Ralf Leßenich noch in petto. Zehn Sänger des Merscheider Männergesangvereins haben einen kleinen Chor gegründet, „wir feiern heute in Burg Premiere” erklärte der Chordirektor. In der Kostprobe des kleinen Merscheider Chores begeisterte vor allem „When I fall in love”, ein Lied des Filmkomponisten und Oscar-Preisträgers Victor Young. Das Publikum in der Mehrzweckhalle war von dem Gebotenen begeistert. Auch wenn einige Stühle leer geblieben waren, konnten die Burger Sänger doch einen weiteren Erfolg in der Chronik ihres 1846 gegründeten Gesangvereins verzeichnen.
Solinger Tageblatt vom 25.08.2014
CHORKONZERT Der MGV 1846 bot zwei Tage lang viel Programm.
Ein Blumenstrauß der schönsten Lieder
Der Männerchor 1980 Solingen bedankte sich bei Otto Groll mit einem Top- Konzert.
VON CYRILL STOLETZKY
Der Konzertsaal ist vollbesetzt, die Bühne festlich geschmückt, die Stimmung top. Im Bühnenhintergrund wird ein Liedtitel als Motto des Abends an die Wand projiziert: „Freunde, lasst uns singen.“ Der Schöpfer dieses Lieds sitzt im Publikum und freut sich auf einen tollen Abend: Otto Groll. Ihm zu Ehren hat der Männerchor 1980 Solingen dieses Konzert ausgerichtet – als Dankeschön für seine Verdienste als Komponist und Arrangeur. Die Leitung hat Chordirektor Ralf Leßenich, als Solisten glänzen Uwe Buchmann (Tenor), der Vorsitzende des Chors, und Susanna Risch (Sopran). Aus Münster gekommen ist erneut das Trio Rhapsodie, das den Chor bereits bei früheren Konzerten gut begleitete.
„Musik belebt das Leben und verbindet Menschen. Als ich 1988 zum Chor stieß, war das erste Lied, das ich sang, eines von Groll“, erinnerte sich Buchmann in der Begrüßung. So hielt er für den Meister eine besondere Überraschung bereit, und als dieser dann mit Frau Heidi die Bühne beschritt, ernannte er ihn zum Ehrendirigenten. Groll bedankte sich, sichtlich bewegt, mit herzlichen Worten. Und freute sich aufs Konzert. „Ich bin gespannt, wie es ist, meine Musik mal nicht vom Podium aus, sondern als Zuhörer zu erleben.“
Alsdann führte Moderatorin Angelika Nehm wortgewandt und pointenreich durch ein zweistündiges Programm, das gespickt war mit musikalischen Höhepunkten und weit über das traditionelle Chorrepertoire hinausging. Satt und voll intonierte der Chor Grolls „Freunde, lasst uns singen“ und das wehmutsvolle „Heimat, deine Sterne“, dem Solingens Star-Tenor Buchmann mit einem kraftvollen, herrlich phrasierten Solopart besondere Tiefe verlieh. Susanna Risch gestaltete eine ausdrucksstarke, auch in höchsten Lagen stimmsichere Version des Puccini-Klassikers „O mio babbino caro“ und entführte ihre Zuhörer mit Arien von Strauss, Lehar und Kálmán in die Welt der Operette. Dabei war es nicht nur ihr Gesang, der beeindruckte. Mit Charme, viel schauspielerischem Talent, Tanz und Humor begeisterte sie ihr Publikum, schritt singend durch die Reihen, schäkerte hier und dort – es war ein Vergnügen, sie zu erleben. Der Chor setzte mit Stücken wie „Sierra Made Del Sur“ und „Ave Maria no morro“ sehr melodische Akzente, und bei „Erinnerung an Sorrent“ traten Chor und der lyrische, hochempfindsame Tenor ihres Vorsitzenden Buchmann erneut in einen starken künstlerischen Dialog. Bei allen Stücken erwiesen sich Oliver Birk (Drums), Matthias Bernsmann (Bass) und Oliver Haug (Piano) vom Trio Rhapsodie mit ihrem filigranen, unaufdringlichen wie klaren und rhythmisch akzentuierten Spiel als erstklassige, sehr tragfähige Begleitcombo. Höhepunkt und festliches Finale war dann die Italienreise: Hier schwelgten Chor, Buchmann, Susanna Risch und Chormitglied Wolfgang Krupp zusammen mit dem Chor noch einmal in einem Potpourri der schönsten Lieder des Südens – von Bella, bella Donna bis zu den Capri-Fischern. Für das Konzert gab es Riesenapplaus, für den sich Susanna Risch mit einer herrlichen Zugabe bedankte, bevor sie nochmal mit Buchmann im Duett sang. Stimmungsvoller ging´s kaum.
Potz Blitz das Temperament: Die Merscheider in der Cobra
von Dr. Jan Crummenerl
Da wurde ganz sacht einmal ums Haus herumgezogen, da wanderten die Zipfelmützen durch die Stimmen und die Trompeten schmettern. Das Publikum mit abendfüllenden Liedersträußen zu langweilen, ist nicht die Sache von Chordirektor Ralf Leßenich. Und so präsentierte sich der Merscheider Männergesangsverein in der voll besetzten Halle der Cobra mit musikalischem Können und Charme auch nicht wie eine altertümliche Herrenrunde.
Es war für die Merscheider das erste Konzert im Kulturzentrum, nachdem sie ihre alte Heimat, das Gemeindehaus an der Mankhauser Straße, verloren hatten. Und wie stets stand das Konzert unter einem Motto, das zugleich Programm war: “Potz Blitz das Temperament”. Dass es viele Arten von Temperamenten gibt, führten die Sänger und ihre musikalischen Gäste zur Freude des Publikums vergnüglich vor. “Heute heißt es durch – egal wie”, kündigte Leßenich die Humoreske “Trommler lass dein Kalbsfell klingen” von Wilhelm Heinrichs an. Aber ein “egal wie” gab es nicht. Die Tücken des Stücks wurden nicht nur gemeistert, es wurde ein rasanter und rhythmischer Ritt durch die Stimmen. Und dass man besser aufs Land gehen soll als in die Stadt, verrieten die Merscheider in einem witzig zarten “Ei du Mädchen vom Lande”, weil da “der Wein besser ist und die Mädchen sowieso”.
Dass man auch mit szenischen Darstellungen die Musik unterstützen kann, zeigt der Chor in “Bube, Dame, König, As” von Robert Papper. Da wurde ein Tisch aufgebaut und lautstark Skat gekloppt. Ganz zu schweigen von Peter Fischer, Christian Koch und Andreas Hamels, die mit Frack und Zylinder als drei “Wackeltenöre” eine urkomische Nummer ablieferten.
Die Merscheider können es aber auch musikalisch anders, etwa in einem bewegenden “Über den Wolken” von Reinhard May, über “Deep River” bis hin zum temporeichen Partisanenlied “Bella Ciao”. Auch die musikalischen Gäste fügten sich bestens ins Programm ein. Pianistin Nadja Bulatovic spielte bezaubernd und perlend Mozarts Rondo alla Turca. Und staunen ließ Thalmai Maichel (10) mit Montis Czardas. Mit “Nasentrompeten” oder gleich über Saufnasen sangen “Vierklang a capella”: Kristina Strack (Sopran), Patricia Vis (Alt), Simon Vis (Tenor) und Stefan Steinröhder (Bass).
Das gelungene Konzert zeigte, dass Leßenichs Entstaubungskonzept voll aufgeht. Das ist die Zukunft des Männergesangs.
Solinger Tageblatt vom 19.05.2014